Orpheus sagt: die Welt wird immer kleiner. Roswitha sagt: dann lass uns wenigstens auf großen Hörnern blasen. Die Cosmopolitin, Weltphilosophin und Künstlerin Roswitha Pross ließ Ihren Worten Taten folgen und Ende der 90-er war es soweit. Unsere wunderbare Künstler-WG in der Münchner Aberlestrasse hatte einen neuen Mitbewohner: ein 4 Meter langes Alphorn, das sich bei uns im Marokko-Zimmer eingerichtet hatte. Noch wusste keiner von dem Überraschungsgast. Doch als wir zu später Stunde einer nach dem anderen nach Hause kamen, war es nicht zu übersehen.
Auf einem weißen Berberteppich, den Kopf auf einem roten Orientkissen gebettet, schlummerte es friedlich vor uns, das wohlgeformte Alpen-Ungetüm. Roswitha hatte das Riesenteil aus dem Wallis mitgebracht, wo sie Tage zuvor eine Foto-Session beim Empfang der Eidgenössischen Berufsjodler hatte. „Komm, lass es uns wecken“, sagte Roswitha, und strich ihm zärtlich über den nackten Hals. Behutsam richtete sie es auf, ihre Lippen berührten das Mundstück und:
„ÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖHHH...“
„Oh-ha!“, dachte ich mir, „tut nachts im Haus ein Alphorn tuten, kommt ganz bestimmt alles zum Guten“. Anschmiegsam, sphärisch, unglaublich voluminös füllte der Klang den Raum. Das fühlten unsere Nachbarn übrigens auch, die am nächsten Morgen alle meinten, von Queen Mary auf der Isar geträumt zu haben.
Ja, Alphörner erwecken Träume! Alle, die wir in jener legendären Nacht erwacht und auf Roswitha´s Alphorn geblasen haben, erweckten wir Träume! Die weltumarmende Idee des Münchner Alphornkollektivs war geboren. Roswithas erstes Horn vermehrte sich rasch. Zu mittlerweile zehn. Multikulturell in schwarz und weiß. Gespielt von begeisterten Real-Individualisten. Im Fluss ständig neuer Formationen. So bläst es über die Lande und Kontinente, in Wüsten und Höhlen, auf Bergen und Gipfeln, mit Pauken und Trompeten, mit Chören und Tenören. Grenzenlos offen für alles was Freude und Träume wahr macht.